LOCKENKOPF CORONA SPEZIAL # 2: GEWOHNHEITSTRINKER-INTERVIEW!

Das läuft hier wie beim Länderspiel. No Future war nicht nur gestern, sondern auch heute. Brandaktuell. Manche vesinken in Angst und Selbstmitleid. Andere nutzen die Gunst der Stunde und lassen ihren Kopf und Kreativität freien lauf. Hier Teil 2 vom Corona Spezial. Die Antworten dazu gab Valle von Gewohnheitstrinker rund Brutal Bravo. Viel Spaß beim lesen:

Schuster bleib bei deinen Leisten, man kann das Rad nicht neu erfinden, denke ich mir, wenn ich eure Musik höre. Der letzte Neandertalter, der noch lupenreinen Oi! fabriziert, wärend sich alle anderen schon längst in der Weiterentwicklung verfrickelt haben und nach der Krone dort oben auf dem Rock-Olymp chillen. Nenne es Deutschrock oder intelektuellen Punkrock, doch ihr seit über all den Jahren euren Wurzeln treu geblieben. Woraus schöpft ihr diese Kraft oder besser gesagt, was hält euch an dieser alten Liebe so sehr fest, dass ihr nicht weiter ziehen könnt?

Valle: Moinsberg Thomas, schön von dir zu hören! Ich möchte einfach mal darauf hinweisen, dass wir sehr selten proben und aus diesem Grunde es sehr schwierig ist, sich kompliziertes Zeug zu merken und die Zeit nur gering ist, kompliziertes Zeug überhaupt auszutüfteln. Math-Core ist uns daher immer verwehrt geblieben. Außerdem planen wir bei unseren Songs immer ein, dass wir die live spielen können sollten. Da wir meistens recht angesoffen sind und – wie gesagt – nicht proben, sind wir im Oi! ganz gut aufgehoben. Neben diesen pragmatischen Gründen sind wir allerdings auch nie auf die Idee gekommen, besonders abgefahrenes Zeug zu machen. Im Vergleich mit meinem Haupthaar wird diese Kontinuität vielleicht deutlicher. Eine schicke und moderne Schmierhaarfrisur ist aufgrund meiner zunehmend hohen Stirn nicht möglich, ich finde sie aber auch einfach nicht schön.

2. Euer Name ‚Gewohnheitstrinker‘ ist nicht nur ein Markenzeichen oder Image Kampagne. Wer euch kennt, weiß das ihr gerne laut, feucht und fröhlich unterwegs seid, und eure Kehlen nie trocken werden. Doch hört man eure Texte, merkt man schnell, dass ihr mit Klischees lediglich spielt, aber sie nicht wirklich musikalisch oder textlich bedient. Das dumme und stumpfe liegt euch dabei stets fern. Was hält euren Schädel in dieser Hinsicht fit, in all den Jahren des Genusses?

Valle: Vorneweg: Die Texte sind bei uns ja immer auf alle Mitglieder verteilt gewesen. Ich denke nicht, dass wir thematisch wie musikalisch große Ausreißer machen für eine Oi!-Punkband aber natürlich muss man nicht den ewiggleichen Quatsch tausendmal wiederholen. Irgendeine zündende Idee, irgendein Anlass muss ja gegeben sein für einen Text oder Song und da bieten sich dann aktuell Clubsterben, Leiharbeit und Rassismus an, weil das Themen sind, die uns im Alltag begegnen. Über all die Jahre haben sich zwar Vorstellungen über einen guten Text und Song entwickelt, aber es gibt da keinen Plan oder ein Klischee-Verbot. Wenn der Song fetzt, dann fetzt er. Ein Teil von uns verfolgt dabei ein strenges Fitnessprogram aus Bordeaux und Fahrradfahren.

3. Freiburg zählt laut Statistik als die Stadt mit den meisten Sonnenstunden im Jahr in Deutschland. Könnt ihr das bestätigen und nehmt ihr vielleicht daher eure allseitsbekannte gute Laune?

Valle: Hast du uns grad nach dem Wetter gefragt, du mieses Smalltalk-Klischee?

4: Ihr habt viel gesehen und erlebt in all den Jahren, in denen ihr in der deutschen Skinhead Szene untriebig wart. Wie seht ihr die aktuelle Lage?

Valle: Ich bin gar nicht so alt, wie mein spärlicher Haarwuchs vorgibt. Allerdings finde ich es zumeist ein leidliches Unding unserer Zeit über die aktuelle Lage zu jammern und indem ich das sage, jammere ich über die aktuelle Lage. Scheiße. Wir rekrutieren die Jugend ja wie ein mieser Arbeitgeber. Die sollen einerseits möglichst jung sein und gleichzeitig tausend Jahre Erfahrung haben. Das geht so nicht auf. Ich hoffe die hauen uns bald mal die Mappe voll. Wichtig ist aber zuallererst, dass wir uns ansehen, was die Skinheadszene aktuell ausmacht und vor allem, wer darin eine Rolle spielt. Es gibt immer schillernde Figuren und Bands, dominierende Labels, Städte und Veranstaltung und heutzutage ist die Szene in viele Sub-Szenen und Freundeskreise geteilt, die nicht mehr so lokal fundiert sind, sondern sich international vernetzen. Über die Jahre kann man ein bisschen beobachten, wie sich das ständig wandelt. Das ist aktuell schon okay so, weil ich auch nicht mit jedem Idioten dicke sein muss, der in meiner Stadt wohnt und weiß, wie man sich die Stiefel schnürt. Trotzdem ist die Skinheadszene immer ein Sammelbecken für merkwürdige Gestalten gewesen. Wer Skinhead wird und bleibt, hat irgendwas an der Waffel. Dass man sich deshalb gegenseitig auf den Sack geht und ab und an mal eine Grenze ziehen muss, heißt aber nicht, dass man das Kind gleich mit dem Bade ausschütten sollte.

5: Was ist bei euch in naher Zukunft neues geplant. Sei es Tonträger oder Konzerte?

Valle: Ja, Tonträger und Konzerte! Wir arbeiten an neuen Songs und überlegen uns, wie wir unser 20.jähriges Bandjubiläum nächstes Jahr planen. Man kann daher gespannt sein. Könnte aber auch sein, dass es uns zu anstrengend wird, haha.

6: Fast in der selber Besetzung seid ihr ja auch als ‚Brutal Bravo‘ unterwegs, und das garnicht mal so unerfolgreich. Ist das für euch die Chance, mit den englischen Texten auch über den deutschsprachigen Grenzen hinaus bekannt zu werden? Oder wie seht ihr diesen musikalischen Ausgleich? Es ist ja trotzdem auch, astreiner Oi!

Valle: Die Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen, insofern weitestgehend die selben Leute an den Instrumenten sind. Brutal Bravo ist einfach ein musikalischer Ausgleich, bei dem es mehr Raum für Experimente gibt. Der Erfolg über die deutschsprachigen Grenzen hinaus ist schön, aber eher sekundär. Auf einer anderen Sprache drückt man sich einfach etwas anders aus, die Vorbilder sind andere, der Sound ist etwas anders aber vieles ist auf jeden Fall bei den Trinkern angelegt und einfach etwas anders bei Brutal Brutalo umgesetzt. Witzigerweise sind über Brutal Bravo auch einige Leute, die deutschsprachigem Oi! sehr skeptisch gegenüber eingestellt waren, auf Trinker aufmerksam geworden. Wir konnten da eine Rückwirkung feststellen.

Zu guter Letzt, hier noch sieben kurze Schlagwörter, auf denen wir uns sieben schlagkräftige Antworten wünschen. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das kurze Interview genommen hast. 1

1. Rabauken: Deutschsprachiger Oi! ist ein rotes Tuch im deutschen Oi!, obwohl es in Deutschland die vielleicht größte Szene Europas gibt.

2. Chemo: Großartiger Schuppen einer großartigen Dresdner-Szene!

3. Tattoos: Ohne Spinnennetz in der Fresse bist du nichts in deinem Viertel

4. Ohne Sinn: Mir sind mal besoffen auf der Parkbank schlafend die Boots geklaut worden

5. Achterbahn: Regenschirm

6. Würde: Ist es würdeloser besoffen vor der Bühne zu pennen oder mit Stone Island Jacke rumzulaufen?

7. Deutschland von unten: Wir sind nicht Deutschland, wir sind nicht schön, keine Manieren, nicht die Elite, nicht angesehen.

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